Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

Für Österreichs Lesben und Schwule beginnt ein neues Zeitalter: EU-Antidiskriminierungsrichtlinie tritt morgen in Kraft

„Da die schwarz-blaue Bundesregierung die EU-Richtlinie 78/2000 nicht fristgerecht bis heute in österreichisches Recht umgesetzt hat, gilt sie ab morgen für Österreich in ihrer ursprünglichen Fassung“, freut sich HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz. „Die Richtlinie verbietet jegliche Diskriminierung u. a. aufgrund der sexuellen Orientierung in Beschäftigung und Beruf. Damit beginnt für Österreichs Lesben und Schwule ein neues Zeitalter. Ab morgen können Lesben und Schwule ihre neuen Rechte unter Berufung auf die Richtlinie bei österreichischen Gerichten einklagen, sollten ihre ArbeitgeberInnen gegen die Bestimmungen der Richtlinie verstoßen und ihnen die darin garantierten Rechte verwehren.“

Das Diskriminierungsverbot umfasst direkte und indirekte Diskriminierung sowie Belästigung/Mobbing. Es gilt für den privaten und öffentlichen Sektor, für alle Arten der Beschäftigung, ob unselbständig oder selbständig, unbefristet oder befristet etc. Das Verbot betrifft sämtliche Arbeitsbedingungen, einschließlich Einstellung, Fortbildung, Umschulung, Beförderung, Kündigung, Entgelt usw. sowie die Stellenausschreibung. Die Richtlinie sieht ferner eine Beweislasterleichterung für das Opfer vor, ebenso Schadenersatzansprüche, Rechtsschutz sowie ein Benachteiligungsverbot. Dieses bedeutet, dass Opfer, die sich etwa mittels Klage wehren, sowie ZeugInnen, die in Verfahren aussagen, vor Repressalien (etwa Entlassung) durch den beklagten Arbeitgeber geschützt sind.

„Zwar ist äußerst bedauerlich, dass sich ÖVP und FPÖ im Rahmen der – verspäteten – Umsetzung der Richtlinie auf das von der EU vorgeschriebene Minimum beschränken und kein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz schaffen wollen, aber von Schwarz-Blau war ja nichts anderes zu erwarten“, erklärt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl. „Das Diskriminierungsverbot in der Arbeitswelt, das wir ausschließlich der EU zu verdanken haben, ist ein erster Schritt zu genereller Gleichbehandlung. Immerhin stellt die Arbeitswelt den weitaus wichtigsten Bereich dar, wo es auch am häufigsten zu Diskriminierungen kommt.“

Lesben und Schwule müssen auf ihren neuen Rechten bestehen

„Jetzt ist es wichtig, dass Lesben und Schwule auf ihren neuen Rechten bestehen und diese notfalls bei Gericht durchsetzen“, betont Pankratz weiter. „Das wird für viele gar nicht so leicht sein, denn in vielen Fällen wird erst durch die beabsichtigte Inanspruchnahme der neuen Rechte dem Arbeitgeber bekannt werden, dass der/die Mitarbeiter/in schwul bzw. lesbisch ist. Sich gegenüber dem Arbeitgeber zu outen wird also mitunter die Voraussetzung dafür sein, in den Genuss dieser Rechte zu kommen. Wir können allen Lesben und Schwulen nur empfehlen, diesen Schritt zu tun und auf ihre Rechte nicht zu verzichten. Denn irgendwann muss dieser Teufelskreis durchbrochen werden, irgendwann müssen wir aufhören, uns vor dem Unrecht zu ducken, müssen wir beginnen, selbstbewusst unsere Rechte einzufordern – und wann, wenn nicht jetzt? Die HOSI Wien wird jedenfalls Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite stehen.“

„Zu den ab morgen geltenden Rechten“, präzisiert Högl, „gehören sämtliche arbeitsrechtlichen Ansprüche, die verschiedengeschlechtlichen LebensgefährtInnen von ArbeitnehmerInnen gewährt werden, z. B. die Pflegefreistellung bzw. Hospizkarenz für die Betreuung kranker bzw. sterbender LebensgefährtInnen; die Mitversicherungsmöglichkeit in der gesetzlichen Sozialversicherung fällt ebenfalls darunter, nicht zuletzt auch aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Sache Karner gegen Österreich (vgl. Aussendung vom 24. Juli 2003). Auch sämtliche freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen, die als Teil des Entgelts zu werten sind und auf die heterosexuelle LebensgefährtInnen Anspruch haben, müssen ab morgen auch gleichgeschlechtlichen LebensgefährtInnen gewährt werden, also etwa Freifahrten, Rabatte für Einkäufe im Unternehmen, freie bzw. ermäßigte Mitbenutzung betrieblicher Einrichtungen usw.“

„Wir rufen Österreichs ArbeitgeberInnen auf, die neue Richtlinie einzuhalten und generell für ein lesben- und schwulenfreundliches Betriebsklima zu sorgen“, meint Pankratz abschließend, „und wir ermutigen Österreichs Lesben und Schwule, von ihren neuen Rechten Gebrauch zu machen und sich gegen verbotene Diskriminierungen zur Wehr zu setzen.“

Umfassende Informationen über die Richtlinie, ihren Inhalt, ihre Entstehungsgeschichte und ihre geplante Umsetzung in Österreich finden sich hier.

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