Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

Zur Klima-Bilanz des Regenbogen-Corsos

Wieso die Substanz besser ist als die Symbolik und die Kritik der Grünen Andersrum Wien bestenfalls halbgar

Liebe Freund*innen der HOSI Wien,

wir haben viele kritische Rückfragen bekommen, ob der fahrende Regenbogen-Corso kommenden Samstag, den 27. Juni, mit PKW und Motorrädern denn in Zeiten des Klimawandels verantwortbar wäre. Zuerst einmal: danke für die wichtige Diskussion und eure Aufmerksamkeit! Wir haben uns schon bei den letzten Konferenzen der internationalen Pride-Dachverbände EPOA und InterPride darüber Gedanken gemacht, wie man die Pride in Zukunft umwelt- und klimafreundlicher gestalten kann. Denn dass es hier noch Luft nach oben gibt, ist klar. Im konkreten Fall beim Regenbogen-Corso ist die Situation leider ein bisschen komplizierter: Den haben wir angemeldet, als noch nicht klar war, wie es mit Corona weitergeht und als wir jederzeit mit neuen Verschärfungen der Maßnahmen rechnen mussten. Außerdem wird in manchen Ländern jetzt schon v.a. Schwulen die Schuld an der Verbreitung des Virus‘ in die Schuhe geschoben – wir dürfen keinesfalls zulassen, dass die Pride der Grund für eine zweite Welle wird. Also haben wir die Gesundheit bedingungslos vorangestellt, um jede Möglichkeit, zu nah an andere Teilnehmer*innen zu kommen, zu verhindern. Das macht uns selbst nicht ganz glücklich, doch wir haben hier eine Verantwortung für unsere Community und diese akute Bedrohung mussten wir höher gewichten als die unglückliche Symbolik, keine Teilnahme zu Fuß oder auf dem Fahrrad zu ermöglichen.

Allerdings haben wir, abseits der Symbolik, auch gute Nachrichten: Unterm Strich ist die Klimabilanz des Regenbogen-Corsos zweifellos positiv. Denn wer schon einmal zwischen 17:00 und 18:30 Uhr auf der Ringstraße war und den Verkehr dort erlebt hat, weiß: Der Regenbogencorso wird mit Sicherheit weniger Verkehr bedeuten. Dazu kommt, dass bei den geplanten 25 km/h der Treibstoffverbrauch niedriger ist als bei den sonst üblichen 50 km/h. Leider schaffen es allerdings manche nicht, über die Symbolik hinauszusehen, und so haben die Grünen Andersrum Wien in einem Statement erklärt, das für das „völlig falsche Signal“ zu halten. Nun gut. Wir halten es ja eher mit der Substanz als mit Symbolen. Und wenn die Grünen zwar auf jeder Pride erklären, was sie nicht alles für die LGBTIQ-Community fordern, dann aber in ihrer ersten Beteiligung an einer Bundesregierung absolut gar nichts von Relevanz durchsetzen, stört uns das doch etwas mehr. Wozu sich die Grünen Andersrum Wien übrigens nicht kritisch geäußert haben.

Während übrigens die Stadt Wien schon länger Vorreiterin fortschrittlicher LGBTIQ-Politik in Österreich ist. Deutlich länger, als die Grünen in der Stadtregierung sind. Und auch unter der aktuellen rot-grünen Stadtregierung wird deren LGBTIQ-Politik von einem SPÖ-Stadtrat verantwortet, Jürgen Czernohorszky. Man sieht: Es kommt weder auf einzelne Parteien noch die sexuelle Orientierung bzw. Geschlechtsidentität der handelnden Personen an, sondern auf Umsetzungskompetenz, Prioritäten und insgesamt fortschrittliche Mehrheiten. Vielleicht sollten sich die Grünen Andersrum Wien mehr damit beschäftigen als mit Haltungsnoten für die Community.

Aber wir wollen nicht ungerecht sein: Dass die Grünen Andersrum Wien für das beim Regenbogen-Corso ausgestoßene CO² Zertifikate kaufen, ist gut und sinnvoll. Dafür danken wir ihnen, das ist eine gute Idee. Vielleicht tun sie das ja auch in den nächsten Jahren, wenn sie, wie in den letzten Jahren, mit ihrem nicht gerade spritschonenden Sattelschlepper an der Regenbogenparade teilnehmen.

Und bis dahin stehen wir solidarisch mit dem Klimavolksbegehren und rufen dazu auf, es zu unterschreiben – jetzt noch bis 29. Juni auf dem Magistrat oder online mit der Handysignatur!

Bis Samstag und Happy Pride!

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