Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

HOSI Wien fordert: Aufhebung des Eheverbots statt konservative Propaganda

Elisabeth-Pempern-statt-Party-Gehrer startete die aktuelle „Wertedebatte“

„Da die ökonomischen Belastungen, die Schwarz-Blau den ÖsterreicherInnen aufbürdet – von der Bildung über die Gesundheit bis hin zum Pensionssystem –, jetzt in eine ‚Wertediskussion‘ gemündet sind, die Jung und Alt, In- und AusländerInnen, Familien und so genannte ‚Singles‘ gegen einander ausspielt, ist es Zeit, dass sich auch Lesben und Schwule dazu zu Wort melden“, erklärt HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz zu den Aussagen diverser ÖVP-PolitikerInnen der letzten Tage, die eine brisante Mischung aus „entsolidarisierendem Neoliberalismus und einem extrem konservativen Familienbild ergeben – verbunden mit christlich-fundamentalistischer Lustfeindlichkeit und ihrer spezifischen Ausprägungsform, einer über viele Jahrzehnte hinweg einzementierten Antihomosexualität. Die Aussagen von Kanzler Schüssel im gestrigen ‚Standard‘ klingen wie der Auftakt zu einem verschärften Propagandafeldzug für jene aus dem 19. Jahrhundert stammende Idee von Familie, die bereits im 20. Jahrhundert von der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung überholt wurde.“

Recht auf Fortpflanzungshilfe

Besonders in der jungen Generation der HOSI Wien schlagen die Wellen der Empörung angesichts der ÖVP-Wertedebatte hoch: „Die anderen sollen gezwungen werden, Kinder zu kriegen, und wir dürfen nicht!“ bringt Tanja (23) aus der Jugendgruppe in der HOSI Wien den Umstand auf den Punkt, dass das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz lesbische Paare von medizinischer Fortpflanzungshilfe ausschließt, obwohl viele lesbische Paare diese Hilfe gerne in Anspruch nehmen würden.

„Zur selbstbestimmten Lebensplanung vieler Frauen, die ausschließlich oder überwiegend in lesbischen Liebesbeziehungen leben, gehört heutzutage ganz selbstverständlich auch der Gedanke an Elternschaft“, erklärt Pankratz weiter: „In dieser Selbstverständlichkeit, mit der vor allem lesbische Frauen der jüngeren Generation die Gründung einer so genannten Regenbogen-Familie planen, spiegelt sich zweifellos ihr gestiegenes Selbstbewusstsein und die Erweiterung ihrer Lebensentwürfe wider.“

„Wir fordern deshalb eine entsprechende Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes unter dem Aspekt der Nichtdiskriminierung von Lesben“, so Pankratz weiter. „Zur Zeit beschränkt es die legale Möglichkeit der künstlichen Befruchtung sowie der In-Vitro-Fertilisation auf Ehepaare bzw. auf heterosexuelle Paare, die mindestens drei Jahre zusammengelebt haben. Auch die Modernisierung des Adoptionsrechts, das gegenwärtig nur Ehepaare als Adoptiveltern anerkennt, steht aus unserer Warte dringend an.“

Menschenrechtswidriges Eheverbot

„Die Politik ist also gefordert, diesem Umstand Rechnung zu tragen. Das muss aber auch bedeuten, alle Familienformen rechtlich anzuerkennen“, ergänzt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl: „Das sind: AlleinerzieherInnen, Patchworkfamilien, Regenbogenfamilien – und ihre rechtliche und soziale Gleichstellung mit der traditionellen Vater-Mutter-Kind-Familie und damit zugleich selbstverständlich auch die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher PartnerInnenschaften mit allen Formen des Zusammenlebens von Mann und Frau innerhalb und außerhalb der Ehe.“

„Da trifft es sich auch gut, dass – wie gestern bekannt wurde – der Verfassungsgerichtshof das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare auf seine Vereinbarkeit mit den Menschenrechten überprüfen muss“, erklärt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler. „Wir wissen zwar aus Erfahrung, dass die HöchstrichterInnen äußerst konservativ sind, appellieren aber dennoch an sie, sich ein Beispiel an ihren kanadischen KollegInnen zu nehmen und den Menschenrechten hier zum Durchbruch zu verhelfen. Die zuständigen Höchstgerichte in drei kanadischen Bundesstaaten haben das Eheverbot für lesbische und schwule Paare als menschen- bzw. verfassungswidrig aufgehoben. Daher können dort gleichgeschlechtliche Paare seit Juni 2003 standesamtlich heiraten. Es wäre inakzeptabel und unverständlich, müssten wir uns in Österreich mit einem niedrigeren Menschenrechtsniveau zufriedengeben. Die Menschenrechte sind unteilbar und universell und gelten auch für Lesben und Schwule – das war auch der Tenor zweier jüngster Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Sachen § 209 und Mietrecht.“ (Vgl. Aussendungen vom 9. Jänner bzw. 24. Juli 2003)

Die Homosexuelle Initiative Wien hat auf ihrer Generalversammlung am 8. März 2003 eine „Lesbenresolution“ verabschiedet, die neben den Bereichen Arbeitswelt, Bildung und Medien ein eigenes Kapitel dem Thema „Ehe und Familie“ widmet.

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