Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

Regierungsprogramm für LGBTIQ-Personen eine herbe Enttäuschung

ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler
FOTO: APA/HANS KLAUS TECHT

Auf über 300 Seiten keine einzige konkrete, relevante Verbesserung

Das nun vorliegende Regierungsprogramm ist für Lesben, Schwule, Bisexuelle, transgender, intergeschlechtliche und queere (LGBTIQ) Menschen eine herbe Enttäuschung, wie sich in einer ersten Analyse der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien zeigt. „Die Grünen haben kein Verbot von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung erreicht. Keine Rehabilitation und Entschädigung der Opfer der Strafrechts-Verfolgung bis 2002. Kein Verbot von medizinisch unnötigen Operationen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen. Kein freies Namensrecht für Transgender-Personen. Kein umfassendes Paket gegen Hassverbrechen“, erklärt Moritz Yvon, Obmann der HOSI Wien. Die Grünen, einst ein treuer Bündnispartner, haben die Anliegen der LGBTIQ-Bewegung auf dem Altar der Koalition mit der ganz alten ÖVP geopfert.

Dabei haben die Grünen diese Forderungen früher selbst vertreten. Yvon zieht das Fazit: „Absolut gar nichts wurde erreicht, das konkret das Leben von LGBTIQ-Personen relevant besser macht. Die Reden grüner Politiker*innen auf der vergangenen EuroPride Vienna haben sich im Realitätscheck als bloßes Gerede erwiesen, und die LGBTIQ-Community fühlt sich zurecht verhöhnt.“

„Das hätte die ÖVP auch alleine gekonnt.“

Lui Fidelsberger, Obfrau der HOSI Wien, ergänzt: „Natürlich erfordern Koalitionen Kompromisse. Aber wo ist hier bitte der Kompromiss? Für LGBTIQ-Personen genau gar nichts zu tun hätte die ÖVP auch alleine gekonnt. Dafür braucht es die Grünen nicht.“ Allerdings will sie auch die ÖVP nicht ganz aus der Verantwortung lassen: „Nachdem die Junge ÖVP Wien bei der vergangenen EuroPride Vienna noch einen Beitrag anmelden wollte, zeigt die ÖVP hier wieder mal, was sie wirklich ist: Der größte Bremsklotz für lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, intergeschlechtliche und queere Menschen in Österreichs Politik. Sie sieht sich offenbar immer noch als Vertretung des politischen Katholizismus in unserem Land und verhindert Fortschritte, die bei den Österreicher*innen längst mehrheitsfähig sind. Wir sind schon gespannt, was die JVP Wien dazu zu sagen hat.“

Einziger Lichtblick: Ulrike Lunacek

Für die HOSI Wien ist die Enttäuschung umso größer, als die Grünen die meisten LGBTIQ-Personen in verantwortungsvollen Positionen haben (vier Abgeordnete zum Nationalrat, einer zum Bundesrat). Daran können auch einzelne positive Details auf Nebenschauplätzen nichts ändern, etwa ein Bekenntnis gegen Homophobie im Sport, oder Formulierungen wie etwa jene zum Schutz vor Diskriminierung, die derart vage gehalten sind, dass die Nicht-Einigung offensichtlich ist. „Wenn da im Lauf der Regierungsjahre tatsächlich noch was kommt und die ÖVP plötzlich kompromissbereiter wird als während der Verhandlungen, soll es uns Recht sein. Allein, uns fehlt der Glaube“, meint Yvon. „Der einzige echte Lichtblick ist, dass mit Ulrike Lunacek eine große, langjährige Vorkämpferin lesbischer Frauen zur Staatssekretärin wird. Darüber freuen wir uns sehr. Darüber, dass sich die grüne LGBTIQ-Politik offenbar darin erschöpft, weniger.“

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