Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

Kein Respekt? – Zur Kritik am HOSI-Wien-Inserat im „Standard“

Das neue Inserat

Das katholische Internetportal Kath.net veröffentlichte am 21. Februar 2007 einen Beitrag unter dem Titel „Bischof Küng: HOSI-Inserat ist ,grobe Verletzung‘ für Christen“. Empörung herrsche bei österreichischen Christen über das glaubensverachtende Inserat (geschaltet am 17./18. Februar; siehe Bild), heißt es in der Meldung, in der neben Küng auch der Geschäftsführer des Wiener Instituts für medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE), Enrique Prat, zitiert wird: Es fehle an „jenem Minimum an Respekt gegenüber den religiösen Gefühlen der Bürger dieses Landes, das notwendig ist, um zum friedlichen Zusammenleben in der multikulturellen Gesellschaft den Beitrag zu leisten“. Prat forderte eine Entschuldigung von der Zeitung.

Der Standard hat also angeblich die religiösen Gefühle der Bürger nicht respektiert.

Frage 1: Was ist mit den Bürgerinnen? Diskriminierung, die Erste.

Frage 2: Hat sich Prat schon mit zeitgenössischen (z. B. soziologischen) Forschungen zu Umgang mit und Ausprägung von Religiosität beschäftigt? Eines der Forschungsergebnisse belegt: Je niedriger der Bildungsstand, desto höher die Bedeutung von Kirche und Religion. Sozialisation, Reflexionsvermögen und Eigenverantwortlichkeit sind vorrangige Merkmale des Grades der Manipulierbarkeit von Menschen. Dies nützen selbstverständlich autoritäre Institutionen für die eigenen Vorteile. Auch bei Prat selbst dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach der Säkularisierungsprozess noch nicht eingesetzt haben bzw. noch in den Kinderschuhen stecken. Er kann bezüglich des erwähnten Forschungsergebnisses als statistischer Ausreißer betrachtet werden.

Frage 3: Warum muss sich die ohnehin schon diskriminierte Minorität von mit napoleonischen Allmachtsphantasien Durchdrungenen die Verantwortung für das friedliche Zusammenleben in der multikulturellen Gesellschaft aufzwingen lassen? Welche Verantwortung trägt eigentlich die nicht (mehr) zu säkularisierende Majorität? Keine? Oder – so wie Küng es sieht – rechtliche Schritte zu überprüfen, die Minorität so weit wie möglich mundtot zu machen und sie im gesellschaftlichen System nach unten zu treten? Der Kinderwunsch Homosexueller soll also in ein gegen sie gerichtetes und wirkendes Instrument umgewandelt werden.

Bischof Küng, der gegenüber Kath.net meinte, dieses Sujet stelle eine grobe Verletzung aller jener dar, die an Christus glauben, überprüft jetzt sogar rechtliche Schritte. Es ist faszinierend, wie sehr dieser personifizierte Fundamentalismus der katholischen Kirche darauf trainiert ist, nicht nur untermauerte, sondern auch beständig notwendige Gesellschaftskritik auf alle an Christus Glaubende zu übertragen. Menschen, die (an wen oder was auch immer) glauben, müssen nicht zwangsläufig Mitglieder jener ultrareaktionären, tief in patriarchalen Strukturen verankerten und machtbewussten Institution sein. Zumal sie ja offenbar alle fundamentalen Bestandteile der multikulturellen Gesellschaft verachtet, die Prat eigentlich als schützenswert bezeichnet.

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