Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

Nichtanerkennung ausländischer „Homo-Ehen“: Verfassungsgerichtshof hält sich bedeckt

Günter Tolar, Ulrike Lunacek, Kurt Krickler, Lon Williams und Hubert Wagner bei der Pressekonferenz im Café Landtmann

Heute endet die diesjährige Herbstsession des Verfassungsgerichtshofs. Einer der dabei zur Entscheidung anstehenden Beschwerden ist jene von Lon Williams, eines US-Staatsbürgers, der in den Niederlanden mit einem Deutschen verheiratet ist.

Dieser konnte eine ihm bei einer internationalen Organisation in Wien angebotene Stelle nicht annehmen, weil die österreichischen Behörden die in den Niederlanden geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe nicht anerkannt und Herrn Williams keine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung erteilt haben. Nach Ansicht des Klägers verstößt dies gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und gegen EU-Recht, das die Freizügigkeit aller EU-Bürger innerhalb der EU und den Familiennachzug ihrer Ehegatten – auch aus Drittstaaten – vorsieht.

„Noch wissen wir nicht, wie der Verfassungsgerichtshof entschieden hat“, erklärte heute vormittag Hubert Wagner, der Wiener Rechtsanwalt des Klägers, auf einer Pressekonferenz. „Wir rechnen jedoch, dass der VfGH die Causa dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Luxemburg zur sogenannten Vorabentscheidung vorlegen wird. So könnte sich der VfGH am einfachsten aus der Affäre ziehen. Für meinen Mandanten bedeutet dies jedoch, dass er noch weitere Jahre auf eine Entscheidung und auf Gerechtigkeit wird warten müssen.“

Lon Williams sieht in der Nichtanerkennung seiner Ehe und in der Verweigerung einer Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung durch die österreichischen Behörden eine glatte und eindeutige Verletzung seiner Grundrechte – und die seines deutschen Ehemannes – aufgrund ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung. Denn für ein verschiedengeschlechtliches Ehepaar wäre es in derselben Situation überhaupt kein Problem, sich gemeinsam in Österreich niederzulassen. „Ich bin wild entschlossen, die Sache bis zu einem positiven Ausgang durchzukämpfen, denn dies ist ein Präzedenzfall, der für viele gleichgeschlechtliche Paare in derselben Lage in der gesamten EU von Relevanz ist.“

Anmerkung: Siehe auch die beiden Aussendungen der HOSI Wien vom 23. August 2004 und 26. August 2004.

Österreich in trauriger Allianz mit Italien und der Türkei

Kurt Krickler, der Generalsekretär der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien, berichtete, dass Österreich nicht nur „Normalsterbliche“ in Sachen Familiennachzug diskriminiert, sondern auch das diplomatische Personal ausländischer Botschaften: „Die österreichischen Behörden verweigern den eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnern von Mitarbeitern ausländischer Botschaften nicht nur diplomatische Immunität und Privilegien, sondern sogar eine Aufenthaltsgenehmigung als Familienangehörige. Uns sind mehrere solcher Fälle bekannt. Laut einer diesbezüglichen Untersuchung des norwegischen Außenministeriums ist Österreich neben Italien und der Türkei das einzige Land in Europa, das diese Position gegenüber ausländischen Diplomaten einnimmt. Selbst Russland und viele andere ehemalige Ostblockländer sind da weitaus fortschrittlicher.“

Ferrero-Waldner als EU-Komissarin problematisch

Weiters kritisierte Krickler die Untätigkeit der Politik, die sich hinter den Gerichtshöfen verschanzt und damit den Betroffenen einen jahrelangen und teuren Kampf vor Gericht zumutet: „Wir machen die Bundesregierung im allgemeinen und Außenministerin Benita Ferrero-Waldner im besonderen, die hier auf Kosten der Menschenrechte auf Zeit spielen, für diese unerträglichen Zustände verantwortlich. Denn juristisch ist die Sache ganz eindeutig: Die EU-Charta der Grundrechte verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung bei der Anwendung von EU-Recht durch die Mitgliedsstaaten und die EU-Institutionen. Die Bundesregierung und Ferrero-Waldner verstoßen also bewusst und wissentlich gegen EU-Recht. Jetzt wechselt ausgerechnet Ferrero-Waldner in die EU-Kommission, die eigentlich als Hüterin der EU-Verträge auf deren Einhaltung durch die Mitgliedsstaaten achten müsste. Sie entging bei den Hearings in Brüssel nur deshalb einem Buttiglione-Schicksal, weil ihr italienischer Kollege durch sein Agieren noch homophober aufgefallen war und sich daher alles in dieser Frage auf ihn fokussierte. Zudem war Buttiglione für den sensibleren Bereich des Inneren und der Justiz vorgesehen.“

Anmerkung: Siehe auch die beiden Aussendungen der HOSI Wien vom 24. Oktober 2004 und 26. Oktober 2004.

Lunacek und Tolar fordern Rechtsinstitut

Für die Grünen hielt Ulrike Lunacek, außenpolitische Sprecherin der Grünen, fest, dass die Klage von Lon Williams die Notwendigkeit der Anerkennung des Angehörigenstatus durch ein eigenes Rechtsinstitut für Lesben und Schwule, z. B. einen „Zivilpakt (ZIP)“ aufzeige. „Die ÖVP muss hier endlich handeln“, fordert Lunacek erneut. Ausserdem wird Lunacek nun eine schriftliche Anfrage an die scheidende Außenministerin stellen, die für die „skandalöse Nicht-Akkreditierung von lesbischen und schwulen PartnerInnen hauptverantwortlich“ ist.

Auch der Bundesvorsitzende der sozialdemokratischen Homosexuellenorganisation SoHo Günter Tolar betonte den politischen Aspekt der Angelegenheit: „Dieses interessante Gerichtsverfahren ist eine wertvolle Hilfe, aber letztlich gehört die Sache in die Politik, also ins Parlament. Und dort werden wir sie mit unserem Gesetzesantrag für die Eingetragene Partnerschaft (EP) hinbringen, auch wenn es dort momentan, im wahrsten Sinne des Wortes schwarz ausschaut.“

HINWEIS: Links unter dem Menüpunkt „Wir wollen heiraten!“ finden sich ausführliche Hintergrundinformationen.

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