Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs


Die Klagen und einschlägige Judikatur

Hintergrund und Fakten

Bei den angestrengten zivilrechtlichen Klagen geht es um Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs gemäß § 1330 ABGB:

§ 1330. (1) Wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schade oder Entgang des Gewinnes verursacht worden ist, so ist er berechtigt, den Ersatz zu fordern.

  (2) Dies gilt auch, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte und kennen musste. In diesem Falle kann auch der Widerruf und die Veröffentlichung desselben verlangt werden. Für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kennt, haftet er nicht, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte.

Die klagende Partei stellte bei Gericht auch den Antrag, eine einstweilige Verfügung, mit der es den Beklagten untersagt wird, bis zum endgültigen Urteil die Veröffentlichung und Verbreitung der inkriminierten Äußerungen zu unterlassen, ohne Anhörung der Beklagten zu erlassen. Diesem Antrag wurde vom Gericht nicht stattgegeben, vielmehr wurden die Beklagten aufgefordert, sich zu diesem Antrag binnen einer Woche zu äußern, was auch durch deren Anwalt geschah (die Äußerung wurde fristgerecht Dienstag nach Ostern bei Gericht vorgelegt). Bis zur schreibenden Stunde (15. April) wurde über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung noch nicht entschieden.

Bei den strafrechtlichen Klagen geht es um üble Nachrede (§ 111 StGB) und Beleidigung (§ 115 StGB). Hier die Paragraphen im Wortlaut:

§ 111. (1) Wer einen anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

  (2) Wer die Tat in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise begeht, wodurch die üble Nachrede einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

  (3) Der Täter ist nicht zu bestrafen, wenn die Behauptung als wahr erwiesen wird. Im Fall des Abs. 1 ist der Täter auch dann nicht zu bestrafen, wenn Umstände erwiesen werden, aus denen sich für den Täter hinreichende Gründe ergeben haben, die Behauptung für wahr zu halten.

§ 115. (1) Wer öffentlich oder vor mehreren Leuten einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper misshandelt oder mit einer körperlichen Misshandlung bedroht, ist, wenn er deswegen nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.

  (2) Eine Handlung wird vor mehreren Leuten begangen, wenn sie in Gegenwart von mehr als zwei vom Täter und vom Angegriffenen verschiedenen Personen begangen wird und diese sie wahrnehmen können.

  (3) Wer sich nur durch Entrüstung über das Verhalten eines anderen dazu hinreißen lässt, ihn in einer den Umständen nach entschuldbaren Weise zu beschimpfen, zu misshandeln oder mit Misshandlungen zu bedrohen, ist entschuldigt, wenn seine Entrüstung, insbesondere auch im Hinblick auf die seit ihrem Anlass verstrichene Zeit, allgemein begreiflich ist.

Sowohl der Oberste Gerichtshof – vgl. z. B. http://www.sbg.ac.at/oim/docs/95_6/95_6_11.htm – wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg – vgl. z. B. Case of Oberschlick v. Austria (No. 2) – haben in ähnlich gelagerten Fällen („politischer Meinungsstreit“) bereits eine einschlägige Judikatur etabliert, derzufolge Äußerungen wie die inkriminierten sehr wohl getätigt werden dürfen, insbesondere wenn man zugleich nachvollziehbar darlegt, warum man zu diesen Ansichten und Meinungen gelangt. So darf man etwa Jörg Haider auch einen „Trottel“ nennen, wenn man begründet, warum man zu dieser Schlussfolgerung gelangt. Legendär auch André Hellers Bezeichnung für die FPÖ-Truppe als „seelenhygienisch heruntergekommene Politemporkömmlinge“.

Auch Christian Rainer, Herausgeber der Wochenzeitungen „profil“ und „trend“, hat in letzter Instanz ein Verfahren wegen übler Nachrede gewonnen. Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider hatte Rainer geklagt, weil dieser in einem „trend“-Kommentar Haider vorgeworfen hatte, „Naziparolen“ zu verwenden.

Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage aufgrund etablierter Rechtsprechung drängt sich wirklich der Verdacht auf, dass die Klagen gegen die HOSI Wien als Einschüchterungsversuch gedacht sind bzw. dass Abgeordneter Tancsits darauf hofft, in der Justiz willige Vollstrecker zu finden.

Oder Tancsits hat sich ein Einlenken der HOSI Wien erhofft, wie dies – leider – in einem anderen Fall im Jahr 2000 passiert ist: Sechs FPÖ-MinisterInnen hatten die Zeitschrift Linkswende geklagt, die einen Leserbrief veröffentlicht hatte, in dem ein Student bekannte: Ich war von Anfang an bei den Demonstrationen gegen die neue rechtskonservative Scheißregierung dabei. Die Klage wurde abgewiesen, woraufhin die FPÖ-Minister gegen die Klagsabweisung beriefen und prompt in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht durch den berühmt-berüchtigten „unabhängigen“ Richter Ernest Maurer (der bekanntlich auf FPÖ-Vorschlag ins ORF-Kuratorium berufen wurde) Recht bekamen: Das Verfahren müsse durchgeführt werden, Maurer verwies es wieder ans Erstgericht. Linkswende wollte sich auf keinen teuren Prozess einlassen, stimmte dort einem Vergleich zu, zahlte den Blauen 18 Blaue (€ 1300,–) und akzeptierte die Auflage, nie wieder zu behaupten, Österreich hätte eine neue rechtskonservative Scheißregierung.

Sollte Tancsits eine solche Hoffnung hegen, müssen wir ihn enttäuschen: Die HOSI Wien wird sicherlich niemals klein beigeben, sondern die Sache notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen – es wäre nicht das erste Mal, dass wir uns an Straßburg wenden.

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