Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

Massive Menschenrechtsverletzung an Homosexuellen in Österreich

Kanzler Wolfgang Schüssel heuchelt in Fragen der Menschenrechte.

„Die Menschenrechtsrhetorik von ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel bei der heutigen Präsentation des Regierungsprogramms für eine blau-schwarze Koalition stellt angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen an Homosexuellen in Österreich eine kaum überbietbare Heuchelei dar“, meint HOSI-Wien-Obfrau Waltraud Riegler ziemlich befremdet und bezieht sich dabei auf Paragraph 209 StGB (höhere Mindestaltersgrenze für schwule Beziehungen von 18 Jahren im Gegensatz zu 14 für heterosexuelle und lesbische Beziehungen).

„Denn Schüssel weiß ganz genau, daß Österreich in punkto Menschenrechte von Lesben und Schwulen Schlußlicht in der Europäischen Union ist und sich in dieser Frage sowohl über Entscheidungen der Europäischen Menschenrechtskommission in Straßburg als auch über Aufforderungen des UNO-Menschenrechtsausschusses sowie des Europäischen Parlaments, dieses Gesetz aufzuheben, bisher wissentlich und bewußt hinweggesetzt hat. Sowohl im November 1996 als auch im Juli 1998 haben ÖVP und FPÖ durch ihre Mehrheit im Parlament eine Streichung dieses menschenrechswidrigen Paragraphen verhindert.“

Brief an die EU-Außenminister und -Staatschefs

Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien wird daher, so Obmann Christian Högl, „in den nächsten Tagen an alle Außenminister und Regierungschefs der 14 EU-Staaten ein Schreiben richten und sie darin auffordern, gegen Österreich ein Verfahren nach Artikel 7 EU-Vertrag einzuleiten. Gemäß diesem Artikel kann ein Drittel der Mitgliedsstaaten einen derartigen Vorschlag einbringen, um im Rat dann einstimmig feststellen zu lassen, ob im betreffenden Mitgliedsstaat eine ‚schwerwiegende und anhaltende Verletzung‘ von Menschenrechten vorliegt. Die hartnäckige Aufrechterhaltung einer von der Menschenrechtskommission als Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention eingestuften Gesetzesbestimmung ist wohl als ‚schwerwiegende und anhaltende Verletzung‘ der Menschenrechte zu werten. Außerdem werden wir uns in dieser Sache ans EU-Parlament wenden. Gerade zum jetzigen Zeitpunkt, da im Zusammenhang mit der Regierungsbildung das Interesse der ganzen Welt auf die Einhaltung der Menschenrechte in Österreich gerichtet ist, scheint uns ein derartiger Schritt besonders zielführend.“

Kein Reformprogramm für Lesben und Schwule

„Angesichts der schon als fanatisch und fundamentalistisch zu bezeichnenden anti-homosexuellen Haltungen von ÖVP und FPÖ hat es uns keineswegs überrascht“, so Riegler weiter, „daß weder Schüssel noch Jörg Haider heute irgendeine Verbesserung der tristen rechtlichen Lage von Lesben und Schwulen angekündigt haben. Daß es unter einer ÖVP/FPÖ-Regierung weder ein Anti-Diskriminierungsgesetz noch eine rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften geben wird, war jedoch zu erwarten.“

ÖVP/FPÖ stoßen Menschenrechtsorgane und EU-Parlament vor den Kopf

Den Hintergrund für die erwiesene Menschenrechtsverletzung durch Aufrechterhaltung und Anwendung des § 209 erklärt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler: Am 1. Juli 1997 hat die Europäische Menschenrechtskommission in einer Beschwerde gegen das ungleiche Mindestalter für homosexuelle Beziehungen in Großbritannien festgestellt, daß ein derartiges unterschiedliches Mindestalter eine Verletzung des Artikels 8 in Verbindung mit Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt (Beschwerde # 25186/94, Euan Sutherland gegen das Vereinigte Königreich, Randnummern 66 und 67 der Entscheidung).

Im November 1998 stellte der UNO-Ausschuß für Menschenrechte im Rahmen der periodischen Überprüfung der Einhaltung der Menschenrechte nach Artikel 40 des UNO-Paktes über bürgerliche und politische Rechte fest, daß § 209 eine Diskriminierung darstelle, und forderte Österreich auf, die Bestimmung zu streichen (UN-Dokument CCPR/C/79/Add.103, Randnummer 13).

Das Europäischen Parlament hat Österreich in insgesamt vier Entschließungen aufgefordert, § 209 aufzuheben (A4-0122/97, Rnr. 140; A4-0034/98, Rnr. 69; B-0824/98 und 0852/98, Rnr. 1; A4-0468/98, Rnr. 53). Außerdem forderte das Europa-Parlament 1998 die sofortige Begnadigung und Freilassung aller wegen Verstoßes gegen § 209 inhaftierten Personen in Österreich. Die Weigerung von ÖVP und FPÖ, § 209 StGB zu streichen, stellt einen ungeheuerlichen Affront gegen das Europa-Parlament dar, der diametral im Gegensatz zur Europa- und Menschenrechtsrhetorik der ÖVP steht, die offenbar selber bestimmen möchte, was Menschenrechte sind und was nicht.

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