Geschichte der HOSIsters

Die Ursprünge der HOSIsters reichen ins vorige Jahrhundert, genauer bis zum Jahr 1982 zurück. Die HOSI Wien war damals gerade drei Jahre jung und das Vereinszentrum – ein liebevoll adaptiertes Kellerlokal in der Novaragasse im 2. Bezirk – diente schon früh auch kulturellen Zusammenkünften.  In den ersten Jahren präsentierten die HOSIsters, wie sich die ursprüngliche „HOSI-Operngruppe“ ab der zweiten Produktion nannte, vor allem musikalische Revuen. Lieder, Songs, Arien, kaum choreografiert und allenfalls mit ein paar verbindenden Worten dazwischen. Für die Musikauswahl und die Proben brauchten wir ganze zwei Nachmittage – mein Gott, waren das Zeiten!

Die zweite „Fledermaus“-Produktion, die wir anlässlich der IGA-Jahreskonferenz 1983 in Wien vor mehreren hundert in- und ausländischen BesucherInnen präsentierten (auf englisch, versteht sich), war sicher der Höhepunkt dieser ersten Ära. Drei musikalische BegleiterInnen verschlissen wir dabei in nur zwei Jahren. Die dritte, Miss Marilyn, ist uns drei Jahrzehnte treu geblieben.

1985 begann mit der „Csárdásfürstin“ das kurze Zeitalter der Operette, in das sich auch eine Oper („Carmen“) schmuggelte. Die Programme wurden da schon aufwendiger – richtige Stücke mit einem Handlungsstrang und kleinen Dialogen, die sich zwar am Original orientierten, aber meist bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurden. Viele der musikalischen Nummern waren dadurch schon vorgegeben. Ab 1986/87 veränderten sich HOSIsters-Stücke erneut. Wir fingen an, Genre-Stücke selbst zu schreiben. Es gab keine fertigen Vorlagen mehr, aber Ideen, Sujets, derer wir uns annahmen: Western, Krimi, James Bond, Traumschiff.

Ein kurzer Ausflug noch zur Operette (die „Lustige Witwe“, im Sommer 1989 bei der ILGA-Konferenz als „Merry Widow“ vor mehr als 300 internationalen Gästen ein triumphaler Erfolg) unterbrach diese Entwicklung nicht.

Die HOSIsters traten vor den TeilnehmerInnen der ILGA-Konferenz 1989 auf

Die Texte wurden umfangreicher, die Dramaturgie wichtiger. Ebenso die Bühnengestaltung, die Kostüme, die Maske, die Requisite, die Choreografien. Damit wuchs aber auch der zeitliche Aufwand. Bei den HOSIsters wurde (und wird immer noch) von den Texten bis zum Kostüm, vom Bühnenbild bis zur Beleuchtung alles selbst gemacht. Das erfordert Zeit, Nerven und Energie für Vorbereitungen und Proben.

Damals, Ende der 80er Jahre, vollzog sich sukzessive der Wandel der HOSIsters zur Bühne im Stil des alten Wiener Volkstheaters. Am Anfang stand bei den meisten ProtagonistInnen vor allem der Spaß im Vordergrund, auch wenn ein gewisser gesellschaftspolitischer Aspekt da war (immerhin war die HOSI Wien immer auch ein politischer Verein). Die HOSIsters sind echtes Volkstheater – unangepasst, kritisch, komisch, derb, musikalisch und auch selbstironisch. Was die HOSIsters darüber hinaus – vermutlich weltweit – einmalig macht, ist die besondere Form, wie wir uns präsentieren.

Die beschwipste Lady Dyke van Bike mit Lady Place und Lord Eaton (2001, in Haus am Eaton Place)
East meets West: Madame Butterfly (2005)

Da gibt es durchaus diesen (gesellschafts-)politischen Anspruch. HOSIsters übten sich in Travestie, lange ehe diese theatrale Form „in“ und vermarktbar wurde, da ist also auch Show; ohne herkömmlichen Glitter und ohne Playback-Gesang allerdings, sondern live dargeboten, ohne Netz und ohne doppelten Boden. Die Stücke bieten Spaß und Blödelei, mitunter durchaus bodenständig, ohne allerdings in allzu seichte Mainstream-Unterhaltung abzugleiten. Die Gruppe ist fester Bestandteil der lesbisch-schwulen Szene, wirkt aber weit darüber hinaus. Wobei, und das soll nicht unerwähnt bleiben, die Mitglieder der Truppe auch ganz „bunt gemischt“ sind; hier singen, tanzen und spielen Männer und Frauen, hetero-, bi- und homosexuelle Menschen, Junge und .. äh … solche, die schon länger dabei sind…

„Die integrative Wirkung des für euch charakteristischen, beispielgebenden Zusammenspiels zwischen Männern und Frauen, Heteros und Homos, Spaß und Politik“ schrieb Helga Pankratz in einem Grußwort zum 20-Jahr-Jubiläum anno 2002, „hat euch zu Recht den Beinamen ‚Singende Botschafterinnen der HOSI Wien‘ eingetragen.“

Das hat Tradition: Ein Ständchen der HOSIsters zu runden Geburtstagen der HOSI Wien – Hier beim Fest zum den 25jährigen Bestehen im Rathaus (2004)

Diese Fähigkeit, unterschiedlichste Menschen zu verbinden und zu begeistern, macht uns ein bisserl stolz. Dazu werden wir immer professioneller, die fremden, vor allem aber die eigenen Ansprüche steigen. Schon längst können wir wegen des großen Aufwands nur mehr eine Produktion im Jahr zeigen. Ein Sujet muss ausgesucht, das Stück geschrieben werden. Dann gilt es, die Kostüme zu schneidern – glücklicherweise gibt es zur Unterstützung auch den einen oder anderen wohlwollende Fundus oder Verleih –, das Bühnenbild zu entwerfen und zu bauen, die Maske und Perücken zu überlegen, zu besorgen und zu gestalten.

Danach beginnt die Probenzeit, an deren Anfang traditionell ein Wochenend-Workshop steht. Ab sofort heißt es für alle, drei Monate intensiv zu arbeiten: Text lernen, Choreografien einstudieren, Singen üben (ach ja, diese Harmonien!), jeden Sonntag gemeinsame Proben, stundenlang… Daneben wollen auch der Rahmen organisiert und all die dabei unterstützenden Menschen koordiniert sein: Werbematerial, Kartenverkauf, Programmfolder, die Beleuchtung, Kassa- und der Bardienste, die Video-Aufzeichnung etc.

Und dann endlich: die Aufführungen.

Anstoßen auf ein gelungenes Workshop-Wochenende (2006)
Im Fotostudio unseres Haus- und Hoffotografen Friedrich Jansenberger (digitalimage.at)

Das Publikum weiß dieses Engagement zu schätzen. Wurde in den Anfangsjahren jede Produktion ein-, vielleicht zweimal gezeigt, stehen wir mittlerweile bei sechs bis acht – meist ausverkauften – Aufführungen. Das heißt, dass mehr als 400 BesucherInnen jede neue HOSIsters-Produktion sehen, und die Fangemeinde wächst ständig…

Seit 2010 haben wir mit dem Veranstaltungsraum im neuen Vereinslokal, dem Gugg, professionellere Rahmenbedingungen – inkl. so etwas wie einer richtigen Bühne. Größer als in der Novaragasse ist sie zwar auch nicht, aber dafür erhöht und technisch gut ausgestattet. Und man muss sich den Weg zum Auftritt nicht durch Spinnweben bahnen, wie das im alten Kellerlokal der Fall war…

Proben, Aufführungen und das ganze Drumherum sind manchmal auch ganz schön anstrengend. Nicht immer ist daher auch in der Truppe alles eitel Wonne. Aber letztlich steht dann doch eine eingeschworene, einander in Freundschaft verbundene Gemeinschaft auf der Bühne, um miteinander Spaß und Freude zu verbreiten – und Spaß zu haben. Ein tolles Gefühl! Das und der Applaus entschädigen für alle Mühe.

Nun haben wir endlich auch einen würdigen Internetauftritt. Eine kleine Dokumentation über ein Vierteljahrhundert lesbisch-schwuler bzw. alternativer Kultur und Unterhaltung. Wir hoffen, dass Sie uns dadurch noch ein bisschen besser kennenlernen und genauso viel Freude daran haben wie wir selbst. Und falls Sie nach der Lektüre noch nicht genug von uns haben, kommen Sie uns einfach (wieder) besuchen. Wie sprach doch Karl Farkas, einer der Altmeister des Wiener Kabaretts: „Schau’n Sie sich das an!“

Dieser Beitrag basiert auf einem von Dieter Schmutzer für die Festschrift „25 Jahre HOSIsters“ verfassten Text.