Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

HOSI Wien: ÖVP und FPÖ besorgen das ideologische Geschäft der Nazis – Feurstein und Haupt sind eine Schande für die Politik

Herbert Haupt und Gottfried Feurstein lehnten für FPÖ und ÖVP eine Wiedergutmachung für homosexuelle NS-Opfer mit zynischen Begründungen ab.

Einen späten Triumph feierte gestern, 6. Juni, die nationalsozialistische Ideologie im österreichischen Nationalrat: Die Abgeordneten der ÖVP und FPÖ lehnten es ab, einen Rechtsanspruch homosexueller NS-Verfolgter auf Entschädigung nach dem Opferfürsorgegesetz (OFG) zu verabschieden. Ein entsprechender Antrag der Grünen wurde abgelehnt.

„Indem sie einen Unterschied machen zwischen Herrenmenschen-Opfern, die eine Entschädigung bekommen, und Untermenschen-Opfern, die nach Ansicht von ÖVP und FPÖ offenbar zu Recht in KZ-Lager verschleppt wurden und ihre Verfolgung durch die Nazis wohl verdient hätten, denken ÖVP und FPÖ nicht nur in Nazi-Kategorien, sondern stellen sich damit auf eine Stufe mit den Nazi-Ideologen“, erklärt dazu Kurt Krickler, Generalsekretär der HOSI Wien. „Diese Haltung ist schäbig und zutiefst verabscheuungswürdig. Wer Homosexuelle für ihre KZ-Haft nicht entschädigen will, der heißt das KZ-System letztlich für diese Gruppe gut, der macht sich zum späten Handlanger der Nazis, vollendet ihr mörderisches Geschäft, indem er diese Opfer durch Nichtanerkennung moralisch tötet und vernichtet. Wir appellieren an die Schreibtisch-Henker von ÖVP und FPÖ daher dringend, das Nazi-Unrecht uneingeschränkt und auch ihr eigenes, gestern gesetztes Unrecht an den homosexuellen NS-Opfern umgehend ‚wiedergutzumachen‘.“

Widerwärtige Argumentation

Besonders zynisch finden wir die Argumente von ÖVP-Sozialsprecher Gottfried Feurstein, der meinte, es hätte in den letzten Jahren ohnehin keine Anträge gegeben, man müsse erst prüfen, ob überhaupt noch Antragsteller lebten. Auch Sozialminister Haupt argumentierte ähnlich (vgl. OTS 226 vom 1. d.). Warum sollten Betroffene Anträge stellen, wenn die Rechtslage eindeutig ist und kein Rechtsanspruch besteht? Das OFG umfaßt nur die rassisch, politisch und religiös sowie wegen einer Behinderung Verfolgten. Anträge von wegen ihrer Homosexualität Verfolgten wurden auch in der Vergangenheit abgelehnt. Der HOSI Wien ist selber ein solcher Fall aus 1993, den sie betreut hat, bekannt.

Die Forderung, die Betroffenen sollten sich zuerst melden, bevor das Gesetz geändert werden kann, ist nicht nur hanebüchen, sondern zeugt auch von einer erschreckenden Unsensibilität gegenüber diesen Menschen. „Wie kann man erwarten, daß sich diese Menschen, die auch nach dem Krieg in einer äußerst homosexuellenfeindlichen Umwelt leben und sich verstecken mußten, die durch die Verfolgung während und nach der Nazi-Zeit traumatisiert sind (Homosexualität wurde immerhin bis 1971 mit schwerem Kerker bedroht!), einfach melden, ohne die Sicherheit zu haben, nicht abgewiesen zu werden?“, fragt sich HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz. „Diese Menschen werden, wenn überhaupt, die Mühsal nur dann auf sich nehmen und einen solchen Antrag stellen und sich dadurch wieder mit ihrer schrecklichen Vergangenheit befassen, wenn absolut gesichert ist, daß ihrem Antrag aufgrund eines Rechtsanspruchs auch stattgegeben wird. Aber Leute vom charakterlichen Kaliber eines Feurstein oder Haupt können sich sicherlich gar nicht vorstellen, wie es für diese Menschen wäre, würden sie sich überwinden, einen Antrag zu stellen, der dann zurückgewiesen würde.“

Feurstein und Haupt sind untragbar

„Politiker wie Feurstein und Haupt, die keine Skrupel haben, KZ-Opfer zu diskriminieren, nur weil sie homosexuell sind, sind erbärmliche Figuren, die in der Politik nichts verloren haben – je eher sie sich aus der Politik zurückziehen, desto besser für das Land. Sie sind eine Gefahr für die Aufklärung der Jugend über die Nazi-Greuel. Es ist fatal, wenn durch eine solche ewiggestrige Haltung die Jugend den Eindruck gewinnen muß, für bestimmte Gruppen war die Vernichtung im KZ schon in Ordnung, weshalb Überlebende aus dieser Gruppe auch nicht entschädigt werden müssen“, fordert Krickler den Rücktritt dieser pro-Nazi-Exponenten in ÖVP und FPÖ.

Ausstellung, Film und Diskussion über die Nazi-Verfolgung der Homosexuellen im Rahmen von EuroPride

„Die gestrige Weigerung von ÖVP und FPÖ, homosexuelle NS-Verfolgte im OFG anzuerkennen, verleiht der von der HOSI Wien im Rahmen von EuroPride vorbereiteten Ausstellung ‚Aus dem Leben – Die nationalsozialistische Verfolgung der Homosexuellen in Wien 1938-45‘ höchste Aktualität. Die Ausstellung wird kommenden Donnerstag, 14. Juni, auf dem Heldenplatz eröffnet und bis 12. Juli 2001 zu sehen sein“, erklärt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl. Die Ausstellungskuratoren Hannes Sulzenbacher und Nikolaus Wahl haben in Wiener Archiven die Dokumente über die Verfolgung von Homosexuellen recherchiert und ausgewählt. Sie zeichnen ein beklemmendes Bild von der systematischen Verfolgung Homosexueller im Dritten Reich. „Die HOSI Wien wird zur Ausstellung auch eine Begleitpublikation herausgeben, die zur Ausstellungseröffnung präsentiert werden wird. Sie enthält u. a. eine ausführliche Chronologie der nunmehr fast 20 Jahre andauernden Bemühungen des österreichischen Parlaments, homosexuellen Opfern einen Rechtsanspruch auf Entschädigung zu verwehren.“

Heute abend wird im übrigen im Gartenbau-Kino in Wien das Lesben- und Schwulenfilmfestival „Identities“ mit der Österreich-Premiere der vielfach preisgekrönten US-Dokumentation „Paragraph 175“ über die Verfolgung von Homosexuellen durch das NS-Regime eröffnet. „Das wäre eine gute Gelegenheit für Feurstein und Haupt, sich kundig zu machen über die grausame Verfolgung von Homosexuellen durch die Nazis. Aus Anlaß dieses Films wird am Montag, 11. Juni in der Wiener Secession auch eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema stattfinden, bei der Feurstein und Haupt auch Gelegenheit hätten, mit einem homosexuellen KZ-Überlebenden zu reden. Damit sie nicht länger zweifeln bzw. leugnen müßten, daß es Betroffene auch heute noch gibt“, meint Krickler abschließend.

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