Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

HOSI Wien enttäuscht über heutiges Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

„Natürlich haben wir nicht erwartet, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe als eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in deren Artikel 12 (Recht auf Eheschließung) wertet“, kommentiert Christian Högl, Obmann der HOSI Wien, das heute veröffentlichte Urteil in der entsprechenden Beschwerde des Wiener Arztes Horst Schalk und seines Lebensgefährten, die vom Wiener Rechtsanwalt Klemens Mayer in Straßburg geführt und von der HOSI Wien unterstützt wurde.

„Das wäre wohl unrealistisch gewesen, denn die Entscheidung in dieser Beschwerde gegen Österreich hätte natürlich einen Präzedenzfall geschaffen, der dann indirekt auch für die anderen Mitgliedsstaaten des Europarats Geltung erfahren hätte. Da aber erst sieben der 47 Mitgliedsstaaten die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt haben, hätte dies bedeutet, dass die große Mehrheit, darunter so große Staaten wie Russland, Italien, Polen oder die Ukraine – nach entsprechenden Beschwerden ihrer StaatsbürgerInnen – dann ihre Gesetze ebenfalls ändern müssten. Und dafür ist die Zeit einfach noch nicht reif.“

„Allerdings hätten wir erwartet”, ergänzt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler, „dass der EGMR zumindest feststellen würde, dass das Fehlen einer alternativen Rechtsform zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde durch Schalk und seinen Partner sehr wohl eine Verletzung des durch Artikel 8 EMRK garantierten Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens dargestellt habe. Denn die Einführung der Eingetragenen Partnerschaft erfolgte in Österreich erst am 1. Jänner dieses Jahres. In diesem Punkt ging die Abstimmung unter den sieben RichterInnen des EGMR auch denkbar knapp aus. Vier sahen hier keine Verletzung, drei – der norwegische, der griechische und der luxemburgische – sehr wohl. Hätte die österreichische Richterin nicht dagegen gestimmt, hätten Schalk und sein Lebensgefährte das Verfahren zumindest in diesem Punkt gewonnen!“

„Das Urteil des EGMR widerspricht sich in diesem Punkt daher auch, wie die drei Richter in ihrer ‚abweichenden Meinung‘, die dem Urteil angehängt ist, selber betonen“, kritisiert Krickler weiter. „Während nämlich der Gerichtshof ausdrücklich festhält, die Frage der rechtlichen Anerkennung berühre das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Randnummern 94–95 des Urteils), wollte die knappe Mehrheit der sieben RichterInnen die Frage im vorliegenden Fall nicht positiv entscheiden.”

„Durch das heute veröffentlichte Urteil ist daher einmal mehr klar geworden, dass die internationalen Menschenrechtsinstanzen den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht vorgreifen und dass rechtliche Fortschritte für Lesben und Schwule in erster Linie auf politischer Ebene erkämpft werden müssen. In diesem Sinne ist das Urteil in der Beschwerde Schalk und Kopf gegen Österreich ein Auftrag an die Lesben- und Schwulenbewegung in Europa und auf der ganzen Welt, ihr Lobbying bei den Parteien, Parlamenten und Regierungen weiterzuführen“, so Krickler weiter.

HOSI Wien begrüßt Gleichstellung in Wiener Landesgesetzen

„In diesem Sinne begrüßen wir daher ganz besonders die Sammelnovelle, die heute im Wiener Landtag beschlossen und durch die in den Landesgesetzen die eingetragene Partnerschaft mit der Ehe völlig gleichgestellt wird“, so Krickler abschließend. „Wien mit seiner SPÖ-Alleinregierung hat sich damit einmal mehr als Vorreiter in Sachen rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen erwiesen, während die anderen Bundesländer, in denen ÖVP, FPÖ, aber auch die Grünen (mit)regieren, bei der entsprechenden Anpassung ihrer Landesgesetze säumig sind und noch großen Aufholbedarf haben. Sie sollten sich ein Beispiel an Wien nehmen!“

HINWEIS: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Sitz in Straßburg ist eine Einrichtung des Europarats, die über die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in den 47 Mitgliedsstaaten des Europarats wacht – nicht zu verwechseln mit dem aus drei Gerichten bestehenden „Gerichtshof der Europäischen Union“ mit Sitz in Luxemburg.

Rückfragehinweis:
Kurt Krickler, Generalsekretär, Tel. 0664-5767466
Christian Högl, Obmann, Tel. 0699-118 11 038

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