Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs


Outing – ein fragwürdiges Instrument

von Doris Knecht

Schwule und Lesben machen wieder von sich reden. Erstens feiert die Homosexuellen-Initiative HOSI ihr 20-jähriges Bestehen und die in dieser Zeit erreichten Ziele. Zweitens besetzten zwei lesbische und zwei schwule Aktivisten letzten Donnerstag die portugiesische Botschaft um einmal mehr darauf hinzuweisen, welche Ziele bisher nicht erreicht werden konnten, weil die Politik sich querlegte und bis heute nicht willens war, alle Paragraphen, die gleichgeschlechtliche Liebende in Österreich diskriminieren, aus dem Strafgesetz zu verbannen und ihnen endlich die gleichen gesellschaftlichen Voraussetzungen zu ermöglichen wie Heterosexuellen. Die österreichischen Homosexuellen-Intitiativen haben in diesen zwanzig Jahren mit vielfältigen Aktionen auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Auf der einen Seite haben sie hartnäckige Überzeugungsarbeit geleistet, haben in den Medien, in Gesprächen mit Politikern und in Diskussionen wieder und wieder darauf hingewiesen, dass es in einer modernen Gesellschaft am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts einfach nicht sein kann, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Auf der anderen Seite mit öffentlichen Manifestationen ihres neuen Selbstbewusstseins – wie der seit 1996 stattfinden Regenbogenparade – oder mit der spektakulären Bischofsouting-Aktion, mit der Schwulen-Aktivist Kurt Krickler 1995 Aufsehen erregte.

Die Frage, ob Outing ein geeignetes Instrument zur Durchsetzung legitimer politischer Forderungen ist, stellt sich auch derzeit wieder. Und erneut zeigt sich, dass es höchst fragwürdig ist, Menschen des öffentlichen Lebens der Homosexualität zu bezichtigen – auch wenn es sich um umstrittene Persönlichkeiten handelt. Es ist eine Sache, wenn man etwa einen Volksdichter, der sich mitunter abschätzig über Homosexuelle äußert, mit einem Foto an seine frühere Mitgliedschaft in der Schwulen-Bewegung erinnert. Es ist allerdings eine ganz andere und ziemlich schmuddelige Sache, wenn man wen auch immer – und dieser Ausdruck steht hier mit Absicht – zu diskreditieren versucht, indem man ihm auf der Basis unbewiesener Gerüchte Homosexualität unterstellt. Das geht nicht. Das geht aus mehreren Gründen nicht. Erstens haben sexuelle Orientierung und der persönliche Umgang damit Privatsache zu sein. Und zwar für jeden – mit einer einzigen Ausnahme: Wenn jemand öffentlich Homosexualität verurteilt oder die Diskriminierung gleichgeschlechtlich Liebender offensiv forciert und gleichzeitig selbst homosexuell liebt und lebt, ist es legitim, auf die Diskrepanz zwischen Ideologie und Realität hinzuweisen. Aber nur, wenn zweitens Beweise vorliegen – denn es ist inakzeptabel, jemanden auf der Grundlage von Gerüchten und Tratsch in Verruf zu bringen. Drittens lässt sich die Kritik an Kunst, Literatur, Politik, Ökonomie oder was auch immer selbstverständlich nicht auf Basis der sexuellen Orientierung des Künstlers, Literaten, Politikers, Ökonomen oder wer auch immer kritisieren; Homosexualität ist schließlich keine Weltanschauung. Um es überspitzt auszudrücken: Idioten gibt es in blond und braun. Denn viertens, und das ist der zentrale Punkt, darf es in einer aufgeklärten Gesellschaft einfach keine Rolle spielen, ob jemand homo- oder heterosexuell ist.

Wer Homosexualität dazu benutzt, jemanden zu diskreditieren, gibt jenen reaktionären Kräften recht, die gleichgeschlechtliche Liebe noch immer als etwas Abartiges, Schmutziges und Verwerfliches propagieren wollen. Und genau dagegen kämpft die HOSI seit zwanzig Jahren.

KURIER, 25. März 2000

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