Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

HOSI Wien übermittelt Schattenbericht an UNO-Ausschuss für Menschenrechte

Die HOSI Wien hat heute, 21. Februar 2007, dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen ihren „Alternativ“-Bericht zur Lage der Menschenrechte von Lesben und Schwulen in Österreich übermittelt. „Am 26. März steht Österreichs vierter periodischer Bericht an den Ausschuss erstmals auf dessen Tagesordnung“, erklärt HOSI-Wien-Obfrau Bettina Nemeth. „Wie jeder Staat, der den UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet hat, ist auch Österreich nach Artikel 40 dieser Konvention verpflichtet, regelmäßig Bericht über die Fortschritte bei der Verwirklichung der Menschenrechte zu erstatten.“

Dies geschieht cirka alle zehn Jahre. Die ausführliche Erörterung des Berichts mit VertreterInnen der österreichischen Regierung wird vermutlich erst in der Herbstsitzung des Ausschusses in Genf stattfinden.

„Der im Vorjahr dem Ausschuss vorgelegte Bericht der österreichischen Bundesregierung geht auf keine aktuellen Probleme und Forderungen bei der Umsetzung voller Menschenrechte für Lesben und Schwule in Österreich ein“, ergänzt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl. Die HOSI Wien hat sich in ihrem Schattenbericht an den Ausschuss auf fünf Bereiche konzentriert:

1. Fehlende formale Gleichstellung von gleich- mit verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften:
Diese Gleichstellung in allen relevanten Rechtsbereichen hätte nach der Verurteilung Österreichs im Juli 2003 durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in der Beschwerde Karner gegen Österreich längst erfolgen müssen – Österreich ist aber bis heute säumig.

2. Fehlen eines der Ehe gleichgestellten Rechtsinstituts
Durch das Fehlen etwa einer Eingetragenen PartnerInnenschaft sind gleichgeschlechtliche Paare von jenen Rechten ausgeschlossen, die Ehepaaren vorbehalten sind.

3. Kein Schutz vor homophober Hetze
Der Tatbestand der Verhetzung beschränkt sich in Österreich auf rassistisch, antisemitisch, religiös oder fremdenfeindlich motivierte Verhetzung, nicht jedoch auf homophobe Hetze.

4. Unterschiedlicher Schutz vor Diskriminierung
Durch die Minimal-Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien im Jahr 2004 hat Österreich eine Hierarchie beim Diskriminierungsschutz geschaffen. Ein rechtlicher Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung besteht derzeit – im Gegensatz zur Diskriminierung aufgrund der „ethnischen Zugehörigkeit“ oder einer „Behinderung“ – nur in Beschäftigung und Beruf.

Diese Diskriminierung beim Schutz vor Diskriminierung ist nicht nur verfassungswidrig, sondern eine klare Verletzung des Artikels 26 der UNO-Menschenrechtskonvention, der wie folgt lautet:
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. In dieser Hinsicht hat das Gesetz jede Diskriminierung zu verbieten und allen Menschen gegen jede Diskriminierung, wie insbesondere wegen der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status, gleichen und wirksamen Schutz zu gewährleisten.

Österreichs derzeitige Gleichbehandlungsgesetzgebung gewährt indes ausdrücklich nicht allen Menschen Anspruch auf den gleichen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung und gewährleistet ausdrücklich nicht den gleichen und wirksamen Schutz vor Diskriminierung.

5. Massive Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung
Die HOSI Wien berichtet dem Ausschuss von der Bedrohung der Meinungsfreiheit in Österreich durch die einschüchternde Flut an Ehrenbeleidigungsklagen, die in den letzten Jahren FPÖ- und BZÖ-PolitikerInnen gegen kritische JournalistInnen und unliebsame politische GegnerInnen eingebracht und die dank der willigen VollstreckerInnen von FPÖ und BZÖ in der österreichischen Justiz auch zu etlichen Verurteilungen geführt haben. Wir weisen dabei insbesondere auf den Bericht der drei EU-Weisen vom September 2000 hin.

Die HOSI Wien erwähnt in diesem Zusammenhang auch das vom früheren ÖVP-Abgeordneten Walter Tancsits gegen die HOSI Wien und ihren Generalsekretär Kurt Krickler angestrengte Verfahren und bezeichnet die Verurteilung in erster Instanz (die Berufung dagegen ist derzeit beim Oberlandesgericht Wien anhängig) als klare Menschenrechtsverletzung.

Nicht der erste Schattenbericht der HOSI Wien

„Unser jetziger Schattenbericht ist nicht der erste“, berichtet Nemeth weiter. „Schon 1998 anlässlich der Befassung mit Österreichs drittem periodischem Bericht hatten wir dem UNO-Ausschuss über die Lage der Menschenrechte von Schwulen und Lesben berichtet. Insbesondere haben wir damals das höhere Mindestalter für schwule Beziehungen im § 209 StGB angeprangert.“ Österreich wurde damals vom UNO-Ausschuss für Menschenrechte deswegen gerügt und aufgefordert, „solche diskriminierenden Bestimmungen zu beseitigen“ (vgl. Aussendung vom 10. Dezember 1998), was dann 2002 erfolgte.

Der UNO-Ausschuss für Menschenrechte ist ein aus 18 ExpertInnen bestehendes Organ, das die Einhaltung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) überwacht und zu diesem Zweck dreimal jährlich tagt.

Dokumente

Österreichs vierter periodischer Bericht gemäß Artikel 40 des UNO-Pakts: Download

Der Schattenbericht der HOSI Wien an den UNO-Ausschuss für Menschenrechte: Download

Der Bericht des von den EU-14 im Jahr 2000 eingesetzten Weisenrats: Download

Schreibe einen Kommentar